070 Auf nach St. Martin

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Es freut mich sehr euch heute diesen Blog aus St. Martin schreiben zu können. Für mich heißt das nämlich nicht nur dass ich wieder auf europäischem Boden bin, sondern auch dass die vermutlich härteste Strecke der Rückfahrt entgegen den Passatwind geschafft ist!

Was die Rückfahrt selbst betrifft, so ist die Strecke für viel Wind, Welle und Strömung bekannt, weshalb eigentlich nur der in die Richtung segelt, der wirklich muss. Mithilfe meiner Freunde von Intermar.ev, haben wir allerdings das fast unmöglich möglich gemacht und ein Wetterfenster mit sehr ruhigen Bedingungen gefunden. Vielen Dank an das gesamte Intermar-Team und insbesondere auch an dich lieber Rainer für deine Hilfe!

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Was die Überfahrt selbst angeht, so wartet heute etwas besonderes auf euch. Da ihr alle meine Berichte kennt, will ich mich selbst kurz halten und euch die Möglichkeit geben die Überfahrt aus den Augen von Cèline, meiner schweizer Mitfahrerinnen mitzuerleben.

Cèlines Überfahrterlebnis

Nach über 1600 Meilen auf Hoher See sind wir nach 21 Tagen auf der französischen Seite der Insel Saint Martin angekommen. Es waren unvergessliche 3 Wochen, die ich mit Oli aus Deutschland und Angi aus Frankreich auf der Ui (dem Segelschiff) verbracht habe.

Aus diversen Gründen habe ich mich Anfang März 2023 entschieden, nach über 2 Jahren in Latein Amerika zurück nach Europa zu reisen. Doch den Flieger in Kolumbien zu nehmen um innerhalb von 24 Stunden zurück in der Schweiz zu sein, konnte ich mir doch nicht vorstellen. So kam ich auf die Idee meinen Rückweg auf andere Weise zu gestalten.

Der Weg auf die Ui

Schon seit langem habe ich mit dem Gedanken gespielt, einmal mit einem Schiff einen Ozean zu überqueren. Dieser Plan hatte sich jedoch bis heute (zumindest ein Teil davon) nicht verwirklicht. Meine ursprüngliche Idee war also von Kolumbien über die karibischen Inseln nach Europa zu segeln. Glücklicherweise habe ich einige Segler auf meiner Reise kennengelernt, die mir Tipps geben konnten, wie ich am besten ein Segelschiff finde. Wer ähnliches vorhat Tipp: Auf Facebook gibt es einige sehr aktive Gruppen, die in Hitch-Hike Segeln spezialisiert sind.

Zwar haben mir die meisten gesagt, dass es sehr schwierig wird, ein Boot von Kolumbien zu den karibischen Inseln zu finden, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. So postete ich einen Beitrag, worauf Oli nach nur wenige Tage positiv geantwortet hat – das gibt´s doch nicht, habe ich gedacht. Ich konnte es kaum fassen, dass ich fündig wurde. Dank der positiven Einstellung vieler Freunde, viel Glück und Zuversicht hat sich meinen Traum erfüllt.

Anreise Cartagena

Da Oli und Angi, die sich bereits in Cartagena befanden, auf das passende Wetterfenster warteten, war der genaue Abfahrtstag lange unklar. Als sich die Wettervorhersage positiv bestätigte für den Freitag, 7. April 2023, buchte ich am 4. April 2023 einen Flug von Leticia nach Medellin, um von da mit dem Nachtbus nach Cartagena zu fahren.

Aufgrund von Streiks hat sich meine Ankunft in Cartagena allerdings um einige Stunden verspätet. Schlussendlich traf ich am 5. April 2023 am späten Nachmittag erstmals meine zukünftigen Mitsegler. Die letzten Sachen wurden vorbereitet, kolumbianisches Essen genossen und im chaotischen Obst- und Frucht-Straßenmarkt eingekauft.

strassenmarkt_in_cartagena_kolumbien

Die Abfahrt

Am 7. April 2023 um 11.30 Uhr ging es dann wirklich los. Ich durfte gleich Hand anlegen und das 11 Meter Boot durch den „Kanal“ von Cartagena um die Kriegsschiffe und U-Boote der kolumbianischen Marine sowie einiger Containerschiffe navigieren. Das war ehrlich gesagt schon ein leichter Nervenkitzel.

Nach einigen Stunden ging es dann ganz natürlich weiter, das heißt: Motor abschalten und Segel setzen. Was für eine schöne Ruhe. Noch lange konnten wir das Festland von Kolumbien erkennen und vor allem auch in der Nacht war die Lichtverschmutzung noch lange zu sehen.

Meine erste Nachtschicht verlief Gott sei Dank super. Der Kurs hat sich stabil gehalten, die Windrichtung und -stärke blieb gleich und weit und breit waren keine andere Boote in Sicht. Vier Stunde dauerte jeweils die Schicht, zu Dritt haben wir rotiert. Anfänglich waren die Nachtschichten hart, da die Müdigkeit gerne mal übernehmen wollte. Jeder hat seine eigene Technik, um die Müdigkeit zu bekämpfen. Meine war zum Beispiel Sport zu treiben (soweit man das Sport nennen darf auf einer bewegender Fläche von 16m2), zu singen oder Sudokus zu lösen.

aufbau_segelboot_ui

Das Offshore Leben

Zum Frühstück gab es meistens Müsli mit hausgemachtem Joghurt und frischen Früchten. Zwei Mal backte Oli ein leckeres Brot, welches wir regelrecht verschlungen haben. Allgemein kam gutes Essen nicht zu kurz. Wir backten köstlichen Joghurt-Kuchen, kochten Currys und thailändische Gerichte und vieles mehr. Manchmal gab es auch einfache Pesto-Pasta, worüber wir uns jedoch auch immer sehr gefreut haben. Das nächtliche Dessert waren Zucker-Popcorn während wir das Escape-Quiz Buch lösten.

Jeden Abend bei Sonnenuntergang wurden die persönlichen Highlights von den letzten 24 Stunden geteilt. Oft sprachen wir dabei vom atemberaubende Sternenhimmel, der sich vor allem bei Neumond in voller Pracht zeigte. Oder dem aufleuchtenden Plankton, welches das Wasser rund um Ui erhellte.

Eines Morgens um 06.00 Uhr haben wir sogar Delfine gesichtet, die mit der Geschwindigkeit vom Boot spielten. Nur wenige Zentimeter vom Bug entfernt, schwammen die Delfine verspielte 20 Minuten umher – und im Hintergrund der wohl schönste Sonnenaufgang von der Reise. Wow, was für ein unvergessliches Erlebnis.

Das Angelglück

Und wenn wir gerade beim Thema Fische sind, dann kommen da natürlich noch die zwei gefangen Fische dazu. Lange mussten wir aufgrund des starken Saragossavorkommens (Seegras) auf unser Anglerglück warten. Nach über 1.5 Wochen haben wir es aber doch geschafft, unseren ersten Fisch – ein Barracuda – zu fangen.

Da Rifffische wie Barracudas jedoch oft mit Ciguatera (Nervenkrankheit) infiziert sind, haben wir nur ein kleines Stück probiert. Besser so. Denn Oli verspürte anschließend leichte Kopfschmerzen und mir war auch nicht ganz so wohl. Der Fisch hat somit wieder seinen Weg ins Meer gefunden.

Einige Tage später hing völlig unbemerkt das nächste Opfer an der Angel. Denn meistens angelten wir nur Seegrass, weshalb wir der Angel nicht die größte Beachtung schenkten. Und schau da, tatsächlich ein Fisch. Dieses Mal war es ein Kingfish, welcher durch seinen gestreiften Bauch leicht zu erkennen. Da wir uns bei diesem Fisch keine Sorgen über Krankheiten machen mussten, genossen wir mehrmals leckere Fischfilets. Wie gesagt, leckeres Essen kam nicht zu kurz.

kingfish_gefangen_karibik_caribik

Die freien Gedanken auf hoher See

Dank 3 Wochen auf hoher See konnte ich meine letzten 2 Jahre in Latein Amerika reflektieren, was mir sehr gut getan hat. Ich habe mir nochmals vor Augen geführt, welch ein unglaubliches Abenteuer ich in den letzten 2 Jahren erleben durfte. Ich habe Freundschaften fürs Leben geschlossen, atemberaubende Ortschaften gesehen und bin als Person, dank dieser Reise extrem gewachsen. All die Höhen- und Tiefen machen meine Reise einzigartig und unvergesslich.

Gedanken zur Heimat

Lange tat ich mich schwierig mit dem Gedanken, zurück nach Europa zu kommen, wo der Alltag viel hektischer und die Kultur verschlossener ist. Ich habe mich so sehr in das Leben in Latein Amerika verliebt, sodass ich mich da mehr zu Hause fühle als in Europa. Doch dank meiner langsamen Rückreise habe ich gelernt, mich auf Europa zu freuen.

Die drei Wochen auf See gaben mir Zeit mit Latein Amerika für zumindest einen kurzen Moment abzuschließen und mich auf mein neues Abenteuer in Europa zu freuen. Denn auch da möchte ich meine unbeschwerte Lebensart, die ich in Latein Amerika dazugelernt habe, behalten und genauso offen für Abenteuer sein, wie ich das in den letzten 2 Jahren war. Für all die Erkenntnisse auf dem Boot, bin ich für immer unendlich dankbar.

Langeweile?

Obwohl ich über 500 Stunden auf einem 11 Meter Segelschiff verbracht habe, wurde mir zu keinem Zeitpunkt langweilig. Ich habe viel Zeit mit Schreiben verbracht (habe mein zweites Reisetagebuch fertig geschrieben, yeah) und mich erneut mit meinen Zeichnungskünsten beschäftigt. Obwohl ich Zeichnen echt gern mag, nimm ich mir nur selten die Zeit dafür. Die hatte ich auf dem Boot jedoch mehr als genug, weshalb dieses Hobbie wieder aufleben konnte. Um den Kopf nicht zu vernachlässigen, arbeitete ich fleißig an Sudokus. Auch das war ein genialer Zeitvertreib, weshalb das spanische Wort dafür auch bestens passt (Mata tiempo = Zeit totschlagen).

Das Duscherlebnis gehört ebenso zu einem Highlight. Man füllt den 20 Liter Eimer mit Salzwasser und duscht sich so ab. Ein echt erfrischendes Gefühl in der manchmal unerträglichen karibischen Hitze. Um jedoch nicht salzig in die Kleider zu gehen, gab es eine Wasserflasche mit Süßwasser, die zum Abspritzen diente. Die Aussicht auf das scheinbar unendliche Meer während ich duschte, werde ich bestimmt nie mehr vergessen.

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Segeln

Und natürlich nicht zuletzt das eigentliche Segeln als Highlight. Dank des einfachen Aufbaus der Ui und des Vertrauens von Oli durften Angi und ich abwechslungsweise das Schiff führen. Gar nicht mal so einfach. Wenn man links möchte, muss man rechts steuern und umgekehrt. Natürlich nicht nur einmal war ich im Kampf mit der Steuerung. Bis sich die Segellogik verinnerlicht braucht es Zeit, viel Zeit. In den 3 Wochen auf See konnte ich echt vieles lernen, auch wenn ich immer noch am Anfang meiner Segelkarriere stehe.

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Ankunft

Am Freitag, 28. April 2023 sichteten wir endlich Saint Martin. Wir ankerten um 17.30 Uhr im Margot auf der französischen Seite und genossen als erstes ein kaltes, kolumbianisches Bier. Die Vorfreude war nach 3 Wochen riesig. Wir haben es geschafft – all die müden Nächte haben sich ausbezahlt.

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Die ersten Schritte auf festem Boden waren noch ungewohnt. Alles hat sich bewegt – wie auf See. Der Geruch an Land erinnerte gleich an europäische Kultur, einige rauchende Menschen auf den Straßen (was man in Latein Amerika eher selten sieht), und schockierende europäische Preise. Wir sind uns Menus ab 12 Euro nicht mehr gewohnt. Vor allem Kolumbien hat 4 bis 5 Mal weniger gekostet, das heißt für ein Tagesmenu hat man höchsten 3 Euro bezahlt (wohlbemerkt mit Suppe, Hauptspeise und frischgepresstem Fruchtsaft). Aber das war ja nichts Überraschendes, wir brauchten nur einen Moment bzw. mehrere Tage, bis wir uns wieder an die Preise gewöhnt haben.

ankunft_in_st_martin

Cèlines Fazit

Mein Fazit vom Leben auf dem Boot in den letzten 4 Wochen: Es war eine unvergessliche Zeit, mit vielen Erkenntnissen, guten Geschichten und Gesprächen. Ich bin außerordentlich dankbar für die Zeit und die Möglichkeit eine neue Art des Reisens entdeckt zu haben. Aber ich muss auch sagen, dass ich nach der langen Zeit wieder froh war Land zu sehen, Zeit für mich zu haben und gleichzeitig auch wieder neue Gesichter zu sehen. Ein riesen grosses Dankeschön an Oli für die Möglichkeit mitzusegeln und einen Teil meines Ziels zu erreichen.

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Nun geht es für mich weiter nach Guadeloupe, wo ich endlich wieder surfen kann bevor es Ende Mai 2023 tatsächlich zurück nach Europa geht. Ich freue mich außerordentlich auf die kommende Zeit und bin gespannt was Europa für mich bereit hält.

sonnenuntergang_st.martin

Und wie geht’s auf der Ui weiter?

Ich hoffe es ist uns mit Cèlines Worten gelungen euch einmal einen anderen Einblick in das Offshore-Leben zu geben. Cèline vielen Dank für deine echt persönlichen Einblicke und euch beiden (Also Angèle und Celine;-)) auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank für die schöne gemeinsame Zeit, eure Zuverlässigkeit und nicht zuletzt die immer positiven Vibes!

Ja und wer sich den Kalender so ansieht, der sieht dass das Ende meiner Segelreise zunehmend näher kommt, da ich zur Hochzeit meines Bruders rechtzeitig wieder daheim sein will. Eigentlich wollte ich aus diesem Grund St. Martin auch gleich wieder verlassen, aber ihr wisst ja wie es mit den Plänen ist. „Sie sind da um geändert zu werden;-)“

Der Hintergrund ist, dass Klaus gerne die letzte Mitsegelmöglichkeit ergreifen und mit mir den Rest der Strecke vollends segeln will. Ich werde mir daher in den nächsten Tagen noch die schönen Ecken rund um St. Martin ansehen bevor wir uns dann gemeinsam Mitte Mai auf die Socken machen.

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10 Kommentare

    • Hey Simone,
      vielen Dank für die lobenden Worte.

      Das mit dem heißem Pool hört sich ja klasse an und ich bin mir sicher sich auch noch ein kaltes Bier dazu findet;-)
      Freue mich schon darauf!

      Liebe Grüße

    • Hey Steve,
      don’t worry even if you couldn’t come with us, it was still very nice to see you again. And I am sure we will meet us another day somewhere and maybe sail an other day together. I am looking forward to!

      Best regards
      Your Oli

  1. Hallo Oli, es freut uns das du einen so tollen Trip hattest! Viel Spaß auf St Martin lass dir Zeit und pass auf dich auf…
    Grüße von deinen Freunden
    Bernd und Beate aus Curacao!

    • Hey,
      vielen Dank und auch viele Grüße nach Curacao.
      Ich hoffe ihr kommt mit euren Baustellen vollends schnell voran so dass ihr wieder die Freiheit genießen könnt.

      Liebe Grüße und Ahoi

    • Hey Fred,
      nice to hear from you!
      I send you the best regards from the Caribbean to Australia.
      Thanks also for the lasts words you sendet and letting me be part of your current live.

      I wish you the best and every day a nice experience!
      Your Oli

  2. Danke für den wunderbaren Reisebericht, obwohl in den Worten schon deutlich das Ende der Reise und die nostalgischen Gedanken zu spüren sind. Vor Eurer langen Überfahrt, dachte ich an den Roman „Drei Mann in einem Boot“, ob das mit einem Mann und zwei Frauen wohl gut gehen wird und es ist scheinbar gute gegangen – Chapeau!
    Gruß Günther

    • Hallo Günther,
      es freut mich von dir zu hören.

      Ja da hast du vollkommen recht, es ist nicht immer einfach Leute zu finden mit denen man es so lange Zeit auf engem Raum aushält.
      Als ich die Mädels kennengelernt habe, hatte ich bei den beiden echt ein gutes Gefühl und ja großes Lob auch an die beiden wie klasse das geklappt hat.
      Ich denke wenn sich jeder in der Gesellschaft so verhalten würde, wie man es auch einen kleinen Boot auf dem weitern Meer macht wäre die Welt ein besserer/angenehmerer Ort, denn können wir selbst denn nicht nur glücklich sein, wenn auch unser Umfeld glücklich ist?!

      Ich hoffe dass auch wir beide uns dieses Mal in Deutschland persönlich kennenlernen und freue mich schon darauf.
      Liebe Grüße und euch noch einen schönen Sonntag!
      Oli

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